Wir solidarisieren uns mit dem Kampf obdachloser und wohnungsloser Menschen. Daher ist es für uns wichtig, dass sie zu Wort kommen und teilen hier ihr Statement zur Wohnungslosensituation in Zeiten von Corona.
Statement vom Bündnis obdachlose und wohnungslose Menschen mit und ohne Migrations- oder Fluchtgeschichte
Seit Ende September auf der Strategiekonferenz Wohnungslosigkeit der Berliner Sozialsenatorin Reden über Housing First und einen Masterplan zur Abschaffung von Obdachlosigkeit gehalten wurden, hat sich praktisch kaum etwas verbessert: In Berlin müssen nach wie vor ca. 50.000 wohnungslose Menschen mit und ohne Migrations- und Fluchtgeschichte in Massenunterkünften in Mehrbettzimmern mit Gemeinschaftssanitäranlagen leben. Sie sind dort ohne Möglichkeit Abstandsregeln einzuhalten dem Virus schutzlos ausgeliefert. Andere leben ganz auf der Straße. Wer Krankheitssymptome hat, wird in Einrichtungen der "Kältehilfe" nicht mehr aufgenommen.
Obwohl die neue Infektionswelle im Winter absehbar war, spricht die Senatsverwaltung für Integration und Soziales erneut von einem Corona-Engpass in der Obdachlosenhilfe. Vor diesem Hintergrund handelten Menschen ohne Obdach selbst und besetzen am 29.10.2020 ein seit Jahren zu Spekulationszwecken leerstehendes Mietshaus in der Habersaathstraße in Berlin-Mitte. Sie beanspruchten ihr Recht auf eine Wohnung und den Schutz ihrer Gesundheit. Menschen, die hofften, in diesen Wohnungen geschützt über den Winter zu kommen, wurden trotz laufender Verhandlungen mit dem Bezirk Mitte von der Polizei umgehend auf die Straße gesetzt mitten in der Corona Pandemie
Wir wollen Taten statt Worte! Wir erwarten die Unterstützung von Selbsthilfeinitiativen statt deren Vertreibung durch die Berliner Polizei. Wir wollen Lösungen statt Beschwichtigungen. Wir brauchen strukturelle Veränderungen statt öffentlichkeitswirksamer Leuchtturmprojekte. In der Pandemie braucht es kreative Wege, um gemeinsam Entscheidungen zu treffen und bürokratische Hürden und Zuständigkeiten zu überwinden. Das ist in vielen Bereichen möglich. Zum Schutz von wohnungslosen Menschen anscheinend leider nicht. Stattdessen schieben sich Senat und Bezirke derweil gegenseitig die Verantwortung zu.
Wir fordern - wie bereits im Frühjahr 2020 - die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales sowie die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung erneut auf, zum Schutz vor der Corona Pandemie umgehend unseren Soforthilfeplan zur menschenwürdigen Unterbringung obdachloser und wohnungsloser Menschen mit und ohne Migrations- oder Fluchtgeschichte umzusetzen.
Massenunterkünfte sind zu schließen, stattdessen sind Ferienwohnungen, Businessapartments und Hotels zur Unterbringung der Menschen zu nutzen. Die von der Senatorin auf den Weg gebrachte Öffnung vom Pfefferbett-Hostel mit 90 Plätzen und zwei weiterer Hostels für obdachlose Menschen ist zwar eine kleine Verbesserung der Kältehilfe in Berlin, entspricht aber in keinster Weise dem, was zum jetzigen Zeitpunkt geboten und möglich ist. Wir fordern zudem den Zugang zu kostenlosen Tests durch medizinisch geschultes Personal für alle Menschen, unabhängig von Krankenversicherungs-und Aufenthaltsstatus.
Wir fordern die Sicherstellung einer menschenwürdigen Unterkunft und ggf. medizinischer Behandlung für alle obdach- und wohnungslosen Menschen - auch bei Krankheitssymptomen, positivem Testergebnis sowie Kontaktpersonen, unabhängig von Krankenversicherungs- und Aufenthaltsstatus sowie keine Weitergabe der Daten an Ausländerbehörden und Polizei. Angesichts der Pandemiezeiten muss endlich die lang angekündigte "gesamtstädtische Steuerung" zur Unterbringung wohnungsloser Menschen mit und ohne Migrations- und Fluchtgeschichte unter Einbeziehung der Bezirke umgesetzt werden. Wir fordern einen Masterplan zur Abschaffung von Obdachlosigkeit UND Wohnungslosigkeit. Wir fordern eine klare, öffentliche und langfristige Abkehr vom Prinzip der Massenunterbringung von Menschen und stattdessen ein Bekenntnis zu Wohnungen für alle, inklusive Zeit- und Finanzierungsplan zur Umsetzung.
Der aktualisierte 10 Punkte Soforthilfeplan ist abrufbar unter: https://fluechtlingsrat-berlin.de/121120_10-punkte-soforthilfeplan-2-0/
Pressekontakte:
Selbstvertretung wohnungsloser Menschen:
Dirk Dymarski, dirk.dymarski@wohnungslosentreffen.de und Stefan Schneider, stefan.schneider@wohnungslosentreffen.de
Flüchtlingsrat Berlin:
Nora Brezger, brezger@fluechtlingsrat-berlin.de
Bündnis solidarische Stadt: Bahar Sanli, lnobnowhere@riseup.net
Geflüchteninitiativen: Felicitas Karimi, felicitas.karimi@gmx.de